Samstag, 25. März 2006
Das schoenste an Peking sind die Menschen 2r, Samstag, 25. März 2006, 09:53, 2life
Denn die Menschen in Peking sind echt - manchmal schonungslos echt. Die zahlreichen Details der taeglichen Atemwegspflege fuehren viele Chinesen ungeruehrt und verblueffend pragmatisch in der urbanen Oeffentlichkeit durch. Das ist einfach so. Aber wer damit klar kommt verliebt sich vielleicht wie ich auch in kurzer Zeit in die kunterbunte Vielfalt an kulturellen Alltagsskurilitaeten. Ich sah eine Gruppe 40jaehriger Maenner in eine halb leere U-Bahn stuermen und unter Gekicher um die ausreichend freien Sitzplaetze rangeln. Umgeben von Parkarchitektur aus der Ming-Dynastie tanzten Seniorengruppen einstudierte Choreographien zu Trancehymnen des letzten Jahrtausends und ernteten Kopfschuetteln von vorbeischlendernden Teenagern mit gefaerbten Strubbelhaaren und Baggiepants. In einem Restaurant durfte ich die letzten verzweifelten Hoppser einer warzigen Kroete zwischen den Fuessen des nachlaessigen Kuechenpersonals erleben. Ein Busfahrer hatte keine erkennbaren Hemmungen sein Vehikel (eines von mir nie gesehenen Fabrikats und Gebrauchszustands) mit 30 cm Abstand rechts und links in eine volle Ladenpassage zu lenken. Und wenn ich voll schreibe, dann erfasst dieses Wort nicht mal ansatzweise den Aggregatszustand, in dem sich diese Gasse am letzten Samstag in Peking befunden hat - bevor der Bus den Blinker betaetigte. Aber die Menschen warteten entspannt, aeltere Frauen summten Lieder, Handies wurden gezueckt und einige begannen Federball (!) zu spielen. Ich muss zugeben, ich bin selbst ueberrascht, aber ich liebe diese Stadt jetzt schon! Der staubige provisorisch verlangsamte Verfall, die geschmacklose architektonische Gigantomie, der gelbbraune Dunst am Horizont, der am Abend die Sonne verschwinden laesst bevor sie den Horizont erreicht, das alles hat eine wunderschoene Dramaturgie der Unvollkommenheit. Und ueberall ist man Teil einer amorphen Masse an Menschen die trotz der oekonomischen und kulturellen Extreme durch nichts aus der Ruhe zu bringen sind. Ausser durch das gelegentliche Erscheinen eines Weissen. In den letzten Tagen war ich viel allein unterwegs und habe abgesehen von den obligatorischen Geschaeftsanbandlungen und Strassengaunereien auch an touristischen Orten viel starrende Blicke und neugierige Fragen erfahren. Orientierung und Verstaendigung ist nicht einfach, aber ich komme jeden Tag ein wenig besser zurecht. Die Menschen machen es mir leicht. Viele Situationen verstehe ich nicht oder interpretiere sie offensichtlich anders als die Menschen um mich herum. Aber die Pekinger meistern jeden noch so plump fehlgeschlagenen Kommunikationsversuch durch ihre warme unkomplizierte Art. Das Schoene an Peking sind einfach die Menschen. Ein halbwegs erkennbar ausgesprochener Satz in Chinesisch verwandelt schuechterne und skeptische Mienen in runde Muender und lachende Augen. Leider sind die Internetcafes hier schlecht ausgestattet. Ich frage mich wo die vielen chinesischen Onlinegamer hingehen? Die Computer, die ich bisher benutzt habe waren virenverseuchte antike Schrotthaufen. Deswegen werde ich auch vorerst keine Bilder zeigen. Ich habe jetzt zwar eine Speicherkarte (Danke Yue!) und kann fotografieren, aber meinen Imagetank moechte ich lieber nicht an so einen Rechner anschliessen. Fotos gibts dann spaetestens im Mai. Und ich bin jetzt wieder raus, fuer einen knorpelzermalmenden Ausflug auf den Betonkilometern Pekings. Auf mich wartet saure Luft, juckende Augen und herrlich aromatisches Essen! Zai Jian!
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