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Sonntag, 9. April 2006

Chang Cheng - Die Lange Mauer

Es heisst: Wer die Grosse Mauer nicht gesehen hat, hat China nicht gesehen. Das stimmt in vielerlei Hinsicht. Natuerlich ist ein Ausflug zur Mauer einer der Hoehepunkte eines jeden Chinaaufenthalts, wenn man die richtige Sektion auswaehlt und von den all zu typischen Touristenorten wegbleibt. Ein besonders schoener und halbwegs ruhiger Abschnitt liegt zwischen Jinshanling und Simatai an der Grenze zur benachbarten Hebei-Provinz, etwa 4 Stunden mit dem Bus vom Zentrum Pekings entfernt. Dort bin ich hingefahren, um dem teils verfallenen Mauerverlauf 10km lang zu folgen.

Und wie so oft lernt man auf dem Weg viel ueber das Land. Sobald man das urbane Umfeld Pekings verlassen hat koennten die Gegensaetze zur ohnehin heterogenen Wohlstandsverteilung in Peking kaum krasser sein. Die Armut der laendlichen Regionen ist bereits wenige Kilometer ausserhalb der Stadt erschreckend greifbar. Das Land ist voellig ausgetrocknet. Auf sandigen Staubackern stehen verdorrte Pflanzenskelette neben ummauerten Hoefen aus rissig verputzem Ziegelstein. Die Landschaft besteht aus leeren Flussbetten und Flickenteppichen aus weggeworfenem Muell. Alles Leben wird von der jaehrlich um 2km heraneilenden Wueste Gobi ausgetrocknet. Braunes Grass haengt wie mumifiziertes Haar von den kargen Huegeln. Aber trotzdem sieht man ueberall alte Menschen die toten Felder bestellen. Es faellt schwer sich die Landschaft in ein bis zwei Monaten vorzustellen, wie sie durch den bevorstehenden Fruehjahrsregen gruen erbluehen wird. Vielleicht komme ich am Ende meiner Reise nochmal hier her zurueck. Heute erscheint mir das voellig unmoeglich.

Mit meinen spaerlichen Sprachkenntnissen konnte ich einer alten Frau, die unterwegs langweilige Souviniers verkaufte, ein paar Informationen abringen. Aus Mitleid habe ich einen ueberteuerten Preis bezahlt ohne zu verhandeln, waehrend die anderen Touristen um jeden Kuai feilschten oder nichts gekauft haben und mich dabei trotzdem schaebig gefuehlt. Aber nun habe ich ein knapp passendes rotes T-Shirt in XL und ein paar interessante Einblicke erhalten. Der Tourismus um die Mauer bringt wenigstens etwas Geld zu den mehrheitlich arbeitslosen Bauern. Von den Einkuenften koennen sie eins ihrer Kinder zur Schule schicken, meistens die Jungen. Auf diesem Kind lastet dann die Hoffnung der ganzen Familie, denn eine Anstellung in Peking oder in einer anderen Stadt kann ihn und seine Verwandten mit etwas Glueck aus der unmittelbarsten Armut befreien. Deswegen sieht man in den Doerfern fast nur kleine Maedchen und Alte. Wer arbeiten kann ist in der naechsten grossen Stadt. Doch trotz 6-10% Wachstum jaehrlich bietet die chinesische Wirtschaft bei weitem nicht genug Jobs fuer die 1,3 Milliarden Einwohner. Und auch in den verhaeltnissmaessig reichen Grossstaedten der Kuestenregionen sind viele Menschen arbeitslos, egal ob Arbeiter oder Hochschulabsolvent. China ist trotz enormer Veraenderungen noch immer eine ueberbevoelkerte Arbeiterwirtschaft. Die fehlenden sozialen Absicherungen lassen eine dermassen extreme Kluft zwischen den Klassen enstehen, dass ich die offenkundige Angst der Regierung vor Aufstaenden gut nachvollziehen kann. Die Unzufriedenheit hat laengst kritische Ausmasse erreicht, aber die Chinesen verhalten sich bedeckt. Die blutig beendeten Proteste auf Tian'anmen sind hier jedem noch in guter Erinnerung. Trotzdem kann keiner sagen, wie lange die unterpriviligierte Landbevoelkerung die groben Ungerechtigkeiten noch tollerieren wird. Das Land kann seinen maechtigen Fuehrern jeder Zeit mit der geballten Wut von mehreren hundert Millionen verarmten Menschen um die Ohren fliegen. Auf dem kurzen Weg zwischen Peking Downtown und der Grossen Mauer gibt sich diese Tatsache trotz verschmiertem Busfenster und heile Welt Fernsehen mehr als deutlich zu erkennen.

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zuletzt aktualisiert: 20.05.07, 12:14
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